Lob der Stille
Reden, reden, reden – so könnte man meinen Beruf zusammenfassen.
Als Pfarrer rede ich ja nicht nur auf der Kanzel, sondern auch bei Anlässen und Apéros, auf Besuchen zu Hause oder Begegnungen unterwegs und natürlich in der Seelsorge, also mit Kranken, Trauernden, Hilfesuchenden und Verzweifelten. Ich habe dabei gelernt, dass Momente der Stille mindestens ebenso wichtig sind wie das Reden selber. Gerade in schwierigen Gesprächen, die ans Lebendige gehen, finden wir Redepausen ja eher peinlich. Wir versuchen, das Schweigen schnell zu überbrücken, zum Beispiel mit einem gut gemeinten Ratschlag. Aber eben: gut gemeint ist nicht gut gemacht. Ratschläge sind oft mehr Schläge als Rat. Ich habe mir darum angewöhnt, Redepausen einfach auszuhalten. Dabei kommt immer etwas raus, denn in der Stille passiert sehr viel. Ich merke, wie es im Gegenüber gärt und arbeitet. Er oder sie sucht nach passenden Worten für sein oder ihr Empfinden. Und genau darum geht es: Menschsein heisst, seine eigene Sprache zu finden. Seelsorgende können dabei nur helfen. Das, was ich höre, kann ich spiegeln, verstärken, befragen und mit der guten Botschaft von Jesus ins Gespräch bringen. Aber dafür muss ich zuerst zuhören, damit sich im Gegenüber etwas artikulieren kann. Vielleicht ist Gott ja genau darum so schweigsam in unseren Gebeten: er hält die Stille aus, damit wir zu unseren Worten finden.
Pfarrer Markus Perrenoud