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Die richtigen Worte

„Ich muss nicht in die Kirche gehen, um mich Gott nahe zu fühlen“ – diese Aussage begegnet mir immer wieder. Oft auch dann, wenn ich über meinen Beruf gefragt werde und dann sage, dass ich Pfarrerin bin. Manche Leute sagen das ein bisschen entschuldigend. Sie meinen, mir das schuldig zu sein, weil sie keine regelmässigen Kirchgänger seien. Für andere ist es eine tiefe Erfahrung: Gott spielt eine Rolle in ihrem Leben, in ihrem Alltag – nicht „nur“ am Sonntag.

Die Psalmen – eine „Bibel in der Bibel“ – formulieren Worte für alle menschenmöglichen Erfahrungen mit Gott. Es sind uralte Lieder. Klagegedichte und Lobgesänge. Sie erzählen vom menschlichen Herz in seiner tiefsten Erschütterung und seinen grössten Höhenflügen. Sie verhandeln den Schmerz des Verlustes, die Einsamkeit, die Sehnsucht und das Wunder der Schöpfung. Ihre Besonderheit: sie bringen dieses Erleben mit Gott in Verbindung und finden Worte für das Unergründliche.

Es ist sicherlich wahr (und gut), dass wir Gott nicht nur in der Kirche begegnen, sondern an jedem denkbaren und undenkbaren Ort. Und viele Menschen finden ihre eigenen Worte dafür. Manchmal teilen sie diese mit mir als Pfarrerin – das macht diesen Beruf zu einem Lieblingsberuf. So erfahren wir: Gott ist da in Lachen und Weinen, in Gesang und Klage, im Tanz und im Alltag, bei frohen Festen und schweren Zeiten.

Pfarrerin Annina Rast